Von den Hochkulturen in der Antike war im Mittelalter nichts mehr zu sehen. In den Städten wurde es immer enger, die Krankheiten wie die Pest und die Cholera wütenden in Europa. Ich stelle mir diese Zeit dreckig und trist vor. Kalte Häuser, Läuse unter den Perücken und stinkende Gassen. Um die Abfallwirtschaft von heute zu verstehen, habe ich mich vor Jahren in deren Entstehung eingelesen. Ich finde es wichtig, dass die Zusammenhänge erklärt werden. Die Kinder von heute sind es gewohnt, dass verschieden bunte Mülltonnen für die Trennung bereit gestellt werden. Das war natürlich nicht immer so.
Abfallwirtschaft in Italien
In den Kämpfen, die zum Zusammenbruch des römischen Reiches führten und in den Stürmen der Völkerwanderung wurden viele Be- und Entwässerungseinrichtungen zerstört. Die Aquädukte wurden als Steinbruch verwendet, mangels Wartung und Pflege verfiel das Kanalnetz und das Wasser aus Kloaken floss über die niedrig gelegenen Teile Roms. Aufgrund der Missstände traten Seuchen auf und die Einwohnerzahl Roms sank auf ca. 35.000. Im 13. Jahrhundert wurde die Konstitution von Melfi erlassen, in der die Tiefe von Begräbnisstätten festgelegt wurde, Aas musste außerhalb bewohnten Landes abgelegt werden, und giftige Pflanzen durften nicht ins Meer geworfen werden, um es zu verseuchen. Schließlich wurde jedem Haushalt eine Latrine zur Aufnahme von Exkrementen auferlegt.
Abfallwirtschaft Deutschland/England
Die Achse des Abendlandes verlagerte sich im Mittelalter vom Mittelmeerraum in den germanischen- romanischen Norden, mit vorwiegend agrarischen Lebensgrundlagen im Gegensatz zur antiken Stadtkultur. Für den ländlichen Bereich kann man davon ausgehen, dass im frühen Mittelalter die Beseitigung der flüssigen und festen Abfälle keine nennenswerten Schwierigkeiten geboten hat. Feste und flüssige Exkremente ließ man von einem Aborthäuschen in eine flache Sickergrube fallen oder verwendete sie als Dünger.
In den Städten sah das schon ganz anders aus. In den mittelalterlichen Städten gab es nicht einmal den Versuch einer Stadthygiene. Zwischen den eng gestellten Häusern bildeten sich bei Regen Lachen, selbst bei Trockenheit blieben die Straßen von den Fäkalien und Abwässern feucht. Auf den Straßen tummelten sich das Federvieh und die Schweine neben den Fußgängern. Im frühen Mittelalter war dies kaum ein Problem, da die Häuser kleine Gärten oder sogar eine Landwirtschaft besaßen, wo die organischen Abfälle auf den Misthaufen zersetzt wurden.
Erst durch die Zunahme der Bevölkerung verminderten sich die Plätze in der Stadt und die Gärten verschwanden. Bis ins 15. Jh. war es üblich Schweine auf der Straße zu halten, die als „städtische Straßenreinigung“ fungierten und die Straßen von organischen Abfällen befreiten. Daher rühren auch Straßenbezeichnungen wie zum Beispiel „Auf der Schweinemist“ in Frankfurt a. M..
Bis in das 18 Jh. war es üblich die Abfälle aus dem Fenster zu leeren. Als der Luxus des WC noch unbekannt war, war es in Edinburgh Sitte, dass Männer in weite Pellerinen gekleidet auf den Straßen auf und abgingen. Auf ihren Schultern ein Joch mit Eimern, die Männer riefen:
Who wants me for a Bawbee? (= Wer will mich für ein großes Geschäft?).
Abwasserentsorgung
Fäkalien und Abwässer wurden soweit diese nicht direkt auf die Straße oder in fließende Gewässer eingeleitet wurden, in Gruben gesammelt. Der Inhalt versickerte und bei ungenügend Abstand zu den Brunnen wurde dann das Wasser verseucht.
Ärgste Missstände in hygienischer Hinsicht verursachte das an Primitivität kaum noch überbietbare Verfahren der Unratbeseitigung in „Winkeln“ oder „Reulen“. Es handelte sich um offene Gräben, wie sie Boccaccio in seinem „Decamerone“ erwähnt, auf dem Grunde von schmalen Gässchen zwischen zwei schmalen Straßen und gegenüberliegenden Häusern. An der Seite dieser Häuser waren Abtritterker wie Schwalbennester angebracht, von denen aus die Fäkalien unmittelbar in die Gräben fielen. Auch Haus- und Küchenabfälle wanderten auf diesem Wege in die Gräben. Der Gestank dieser Einrichtungen muss grauenhaft gewesen sein.
Nach dem Auftreten der Pest zwischen dem 15.Jh. und dem 18.Jh. beauftragten die Stadtverwaltungen aller größeren Städte Fuhrunternehmen mit der Beseitigung des Unrates. Der Übergang zur Kommunalisierung zeichnete sich erst ab, als man mit der Art der Durchführung durch Private unzufrieden wurde.
Abfallwirtschaft Wien
In Wien bestand ab 1656 eine unentgeltliche Kehrichtabfuhr durch die Gemeinde und ab 1698 wird ein geregelter Sammeldienst verzeichnet. Diese Maßnahme wurde von Christoph Weigel in einem Kupferstich festgehalten, dem der Theologe Abraham a Santa Clara folgende Überschrift gab:
„Der Kehrigführer. Der schläfft auf sanfften`s Kissen, der rein ist im Gewisse.“
Mit Geldstrafen, die im Wiederholungsfall recht hoch waren, wurde derjenige bedroht, der von dieser Einrichtung zur Sauberhaltung der Stadt Wien keinen Gebrauch machte.
Fazit
Ich verstehe nicht, dass soviel Wissen im Mittelalter verloren ging. Unabhängig von den wissenschaftlichen Errungenschaften, kann es den Menschen doch nicht gefallen haben in diesem Unrat zu leben. Selbst wenn die Technik noch lange nicht so weit war, kann es doch niemanden gefallen haben, die Fäkalien und Küchenabfälle einfach auf die Straße zu kippen? Wir sprechen immer vom homo sapiens..naja das gilt wohl nicht in allen Bereichen.
Was hat sich seit damals geändert? MMh…wir littern nun Fastfoodverpackungen statt Fäkalien, Zigarettenstummel statt Küchenabfälle und produzieren Produkte, die wir nicht verwerten können. Viel hat sich in unserem Wegwerfverhalten wohl nicht geändert.
Was die Neuzeit für Veränderungen mit sich brachte, könnt ihr im nächsten Artikel lesen, eure Trennsetterin.
Quelle
Gottfried Hösel:” Unser Abfall aller Zeiten”
Geschichte der Abfallwirtschaft in Österreich von Markus Ossberger
Entwicklung der Müllabfuhr in Wien
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